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Führt Religion nicht zu Gewalt?

Eine friedliche Welt ohne Religionen?

Kreuzzüge, islamistische Terroranschläge, Übergriffe von Hindus auf Christen und Moslems, … so viel Gewalt im Namen von Religion! John Lennon sang, er träume von einer friedlichen Welt ohne Religionen. Sind Glaube und Gewalt direkt miteinander verbunden? Gäbe es ohne Religion weniger Gewalt?

Bei einem nüchternen Blick auf die Weltgeschichte muss sofort festgestellt werden, dass Menschen aus verschiedenen Gründen Gewalt anwenden. Obwohl sich die Mehrheit der Menschen  zu einer der vielen Religionen bekennt, waren viele der größten Schlächter der Geschichte nicht im klassischen Sinne religiös. Hitler hing einer Mischung eines pseudowissenschaftlich-rassistischen Weltbildes mit sozialdarwinistischen und esoterischen Elementen an und lehnte hinter verschlossenen Türen das Christentum ab. Er wandte Gewalt mit der Begründung an, dass es das Beste für die Menschheit wäre, wenn die arische „Rasse“ die Welt beherrsche. Stalin und Mao verfolgten eine atheistisch-kommunistische Utopie, für deren Verwirklichung es ihnen nebensächlich schien, viele Millionen Menschen zu töten. Dschingis Khan, der auf seinen Eroberungszügen massenhaft die Zivilbevölkerung abschlachten ließ, hatte gewisse Ähnlichkeiten zu den heutigen „spirituell Suchenden“ – er war schamanistisch aufgewachsen, aber in gewissem Maße religiös pluralistisch und hegte Sympathien zum Buddhismus.

Obwohl sich die Mehrheit der Menschen  zu einer der vielen Religionen bekennt, waren viele der größten Schlächter der Geschichte nicht im klassischen Sinne religiös.

Und die süd- und mittelamerikanischen Drogenkriege, welche ganze Länder mit Terror und Tod überzogen haben, drehen sich um Profitgier bei den Drogenhändlern und Vergnügungssucht bei den westlichen Konsumenten, denen egal zu sein scheint, welches  Leid sie mit ihrem Kokainkonsum verursachen. Würde die Religion abgeschafft werden, würden sich Menschen weiter abschlachten.

Aber trotzdem gab es auch viel Gewalt im Namen von Religion, obwohl diese ja eigentlich einen höheren moralischen Standard verkörpern sollte. Wie kann das sein? Um noch einmal den Vergleich mit nichtreligiöser Gewalt zu bemühen: Können wir die Vordenker und Theorien, auf welche sich diese Massenmörder zu Recht oder Unrecht berufen haben – z.B. Darwin bei Hitler, Marx bei Stalin und Mao, viele Rockmusiker bei der Drogenpandemie – für die Toten mitverantwortlich machen? Sicherlich nicht pauschal – es wäre in jedem Einzelfall nötig, zu prüfen, ob ihre Theorien verdreht wurden oder ob die brutalen Folgen hätten absehbar sein müssen. Doch genau solch eine pauschale Schuldzuweisung geschieht oft, wenn von Religion und Gewalt die Rede ist.

Einerseits ist es eine realistische Möglichkeit, dass manche Religionen die Gewalt fördern. Es ist eine unlogische und realitätsferne Ausflucht, wenn manche ohne tiefere Beschäftigung mit dem Inhalt von Glaubensrichtungen behaupten: „Eigentlich sagt doch jede Religion das Gleiche und will nur, dass wir alle nett zueinander sind“. Man möge sich beispielsweise mit der Religion der alten Assyrer beschäftigen. Andererseits ist es aber schon häufig vorgekommen, dass eine Religion den Frieden stabilisierte und ein Herrscher sie erst verfälschen und verzerren musste, um sie für Gewalttaten instrumentalisieren zu können. Und zusätzlich kann es sein, dass sich unter dem großen Label einer Weltreligion wie „Christentum“ oder „Islam“ äußerst unterschiedliche konkrete Glaubensrichtungen verbergen. Pauschale Antworten reichen hier nicht.

Und das Christentum im Mittelalter?

Natürlich kann an dieser Stelle nicht jede Religion in jeder Situation der Weltgeschichte betrachtet werden. Stattdessen hier ein kurzer Blick auf eine der am häufigsten angeführten Situationen: Das Christentum im Mittelalter. Was verbirgt sich hinter dem „christlichen“ Glauben jener Zeit? Damals waren die meisten Menschen, oft sogar Priester, Analphabeten und kannten den Inhalt der Bibel, der Grundlage christlichen Glaubens, fast überhaupt nicht. Offiziell bezeichneten sich die Menschen als Christen, wussten aber nicht viel über den Glauben; stattdessen prägte viel Aberglauben den Alltag, welcher der Bibel direkt widersprach. Deshalb stellte sich die Kirche sogar teilweise gegen Hexenverfolgungen, da diese Bewegung aus Aberglauben statt aus christlichem Glauben resultierte. Statt lebendigen Glaubens fand sich eine formelle, zeremonielle Volksreligion, welche zur Beherrschung des ungebildeten Volkes funktionalisiert wurde.

Während Jesus in der Bibel die Feindesliebe lehrt, war es für einen Fürsten ein Leichtes, die unwissende Bevölkerung zum Glaubenskrieg gegen andere Völker anzustacheln und das offiziell als christliches Handeln auszugeben. Mit einem Christentum, das sich auf die Bibel beruft, hatte das nichts zu tun, mit Habgier und Herrschsucht dagegen viel. Als dann im 17./18. Jahrhundert der Pietismus als Bewegung der persönlichen Bibelfrömmigkeit innerhalb der deutschsprachigen evangelischen Kirche aufkam, führte dies in seinem Umfeld zu dem genauen Gegenteil: einem Aufbruch der Krankenpflege, Waisenfürsorge und Bildung. Hier wurde der Glaube nicht nur als Tradition und Volksreligion vertreten, sondern die Menschen entschieden sich von Herzen dafür. Damit wurde wieder echter christlicher Glaube gelebt, denn laut Bibel kann kein Mensch die christliche Nächsten- und Feindesliebe von sich aus leben, sondern nur durch ein Leben in Gemeinschaft mit Gott und mit der Hilfe Gottes.

Mit einem Christentum, das sich auf die Bibel beruft, hatte das nichts zu tun.

Krieg ist, entgegen vieler Gerüchte, laut objektiver Zahlen der Geschichtsschreibung kein speziell mit Religion verbundenes Phänomen, sondern eine traurige Konstante der Menschheit. Doch genauso wie Politik und Wirtschaft können auch Religionen mit konkreten Fällen der Gewalt in Zusammenhang stehen. Und so wie kaum jemand behaupten würde, es wäre egal, welche Parteien bzw. Politiker ein Land regieren oder welche Wirtschaftsform in einem Land vorherrscht, so ist es auch unseriös und irreführend, alle Religionen oder alle Strömungen einer Weltreligion gleichzumachen. Die ersten Christen waren bekannt dafür, dass sie sich um die Armen im römischen Reich kümmerten und ausgesetzte Säuglinge aufnahmen. Viele Menschen jener Zeit wandten sich dem christlichen Glauben zu, weil sie auf vielen Ebenen sahen, wie korrupt und unmoralisch ihre heidnischen Vielgötterreligionen waren, während bei den Christen schlüssige Glaubensinhalte verbunden mit einem Leben der Nächstenliebe zu finden war. Wer wissen will, was Jesus Christus wirklich zu Gewalt und Liebe gesagt hat, muss nur die Bibel aufschlagen, beispielsweise das Lukasevangelium.