Im Zentrum des christlichen Glaubens steht eine Person: Jesus Christus. In den Evangelien, einem Teil des Neuen Testaments, finden sich Berichte seiner Taten und Worte. Diese Schriften wurden in Griechisch verfasst und sind fast 2.000 Jahre alt. Doch kann man sich darauf verlassen, dass uns wirklich heute noch der ursprünglich in Umlauf gebrachte Text vorliegt? Kann es nicht sein, dass durch Fehler in der Überlieferung oder bewusstes Eingreifen von Schreibern oder Institutionen mit der Zeit viele Veränderungen in die Berichte kamen? Und wie ist das erst mit den noch älteren Büchern des Alten Testaments?
Überlieferung des Neuen Testaments
In den letzten Jahrhunderten wurde zu genau diesen Fragen sehr viel geforscht. Wissenschaftler zogen durch Archive und Klöster, um möglichst viele und möglichst alte Handschriften der Bibeltexte zu finden. Und somit haben wir heute ungefähr 6.000 Manuskripte, welche das Neue Testament ganz oder teilweise wiedergeben – viel mehr als bei jedem anderen antiken Buch, wo sonst 20 Handschriften schon als gut überliefert gilt. Die ältesten hiervon sind Papyrusfragmente aus dem 2. Jahrhundert, also aus einer Zeit, zu welcher möglicherweise noch Menschen lebten, die den Apostel Johannes und andere Augenzeugen persönlich getroffen hatten, und lange bevor eine zentralisierte Kirche entstand. Bereits die frühen Handschriften stammen aus ganz verschiedenen Regionen, die hunderte Kilometer auseinanderliegen. Durch diese schnelle, weiträumige Verbreitung hätte sich keine gezielte Veränderung mehr durchsetzen können. Die zentralisierte Kirche entstand erst deutlich später, und wäre dort eine Veränderung am Bibeltext geschehen, könnten wir die Unterschiede im Vergleich mit den älteren Handschriften sehen.
Doch beim Vergleich der Manuskripte stellt man fest, dass die allermeisten Worte im Text völlig zweifelsfrei überliefert wurden. Ja, es gibt immer wieder einzelne Worte oder Wortgruppen, bei welchen sich Abschreibfehler eingeschlichen haben. Beispielsweise stehen in verschiedenen Manuskripten unterschiedliche Worte, die ähnlich klingen. In solchen Fällen wurde anscheinend den Schreibern diktiert, wobei manche das falsche Wort verstanden. An anderen Stellen wird in manchen Handschriften ein Wort ausgelassen, wenn zwei hintereinanderstehende Worte dieselbe Endung haben, was beim Lesen der Vorlage leicht passieren kann. Die meisten der Abweichungen sind offensichtliche Schreibfehler oder stehen in so wenigen und unbedeutenden Handschriften, dass ganz klar ist, dass sie nicht ursprünglich sind. Ab und zu ist die genaue Formulierung eines Verses dennoch umstritten. Doch ist keine einzige dieser Stellen entscheidend für eine der grundlegenden Aussagen des Neuen Testaments und auch fast keine der zweit- oder drittrangigen neutestamentlichen Lehren sind hiervon betroffen.
Zusätzlich zu diesen Handschriften haben wir außerdem spätestens seit dem 4. Jahrhundert Übersetzungen in andere alte Sprachen wie Latein, Koptisch und Syrisch. Auch hier wären größere Abweichungen sichtbar. Und wenn diese vielen Belege jemandem immer noch nicht reichen, kommen noch tausende Zitate aus dem Neuen Testament in Schriften frühchristlicher Autoren hinzu. Der Befund ist überwältigend und ohne jede Parallele in der Überlieferung von Texten. Wir können sicher sein, dass uns mit sehr hoher Genauigkeit die Inhalte vorliegen, welche die ersten Christen selbst in der Hand hatten. Die Überlieferung ist um ein Vielfaches besser bezeugt als bei den Werken der griechischen Philosophen und römischen Historiker.
Überlieferung des Alten Testaments
Beim Alten Testament, das hauptsächlich in Hebräisch verfasst wurde, ist der Zeitabstand wesentlich größer. Im Mittelalter wurde der Text nachweislich sehr genau abgeschrieben, doch gab es lange Zeit die Behauptung, dass die Überlieferung vor dem Mittelalter verfälscht wäre. Vor einigen Jahrzehnten wurden dann aber in Höhlen an verschiedenen Orten um das Tote Meer viele alte Schriftrollen gefunden, von welchen manche Bibelbücher des Alten Testaments enthielten. Mithilfe von Analysen der Buchstabenformen sowie des Materials kann man recht genau das Alter solcher Dokumente bestimmen. Dabei zeigte sich, dass einige von ihnen noch vor Jesu Geburt entstanden sind, andere im ersten und zweiten Jahrhundert nach Christus. Manche dieser Schriftrollen hatten quasi buchstabengenau denselben Text wie er bis heute überliefert wurde, andere wiesen gewisse Abweichungen auf, doch auch hier stimmte das allermeiste überein. Von dieser Zeit lässt sich nun relativ problemlos zurückspringen bis zu der Zeit von Maleachi, dem letzten Propheten des Alten Testaments, welcher ungefähr 400 vor Christus ein Bibelbuch verfasste. In dieser Zeitspanne zwischen Maleachi und den ältesten erhaltenen Schriftrollen, ungefähr 300 Jahre, gab es im Land Israel den jüdischen Tempel, professionelle Priester und lesekundige Schriftgelehrte. Mit der Zeit kamen auch Synagogen dazu. Zwar gab es im 2. Jahrhundert vor Christus kurzzeitig den Versuch eines hellenistischen Herrschers, das Judentum auszulöschen, doch dieser scheiterte schon nach wenigen Jahren. Somit war die Überlieferung in dieser Periode kein größeres Problem, da meist eine stabile Infrastruktur dafür vorhanden war.
Wenn man weiter zurückgeht und die Überlieferung der älteren Teile des Alten Testaments nachvollziehen will, wird es historisch komplizierter, da deren Verfassung wirklich sehr lange her ist. Zu der Zeit des ersten jüdischen Tempels, welcher fast 1000 Jahre vor Christus gebaut wurde, finden sich Hinweise, dass dort Schriftrollen über Jahrhunderte gelagert wurden. Dies gibt bereits ein starkes Indiz für eine gute Überlieferung. Doch die archäologische Forschung eröffnet uns hier zusätzliche Möglichkeiten, indem sie Texte aus dem antiken Nahen Osten untersucht, so dass man diese mit der Bibel vergleichen kann. Und so finden sich im Bibeltext viele Hinweise darauf, dass die Bücher des Alten Testaments tatsächlich aus der jeweils angegebenen Zeit stammen.
Dies kann aus Platzgründen hier nur kurz angerissen werden – es finden sich Namens- und Ortsangaben, welche genau zur jeweiligen Zeit passen, detaillierte Schilderungen von stimmigen historischen, geographischen und kulturellen Gegebenheiten sowie ein zu der entsprechenden Zeit passender Wortschatz. Auch die gegenseitige Bezugnahme von Bibelbüchern aufeinander geht chronologisch auf. Externe archäologische Funde bezeugen außerdem die Namen einiger wichtiger biblischer Personen und schildern auch aus dem Alten Testament bekannte Ereignisse aus der Zeit der Könige von Israel und Juda.
Und was heißt das für uns heute?
Dies alles sind starke Indizien, doch können wir nicht in der Zeit zurückgehen. Die meisten von uns sind auch keine studierten Archäologen, die alles selbst im Detail überprüfen können. Was aber jedem von uns offensteht, ist, die Bibel aufzuschlagen und ihren Selbstanspruch zu prüfen. Wenn sie Gottes Wort ist, wie sie es von sich sagt, erwartet uns ein Buch voller Ehrlichkeit und Weisheit. Die historischen Indizien sprechen für ihre Glaubwürdigkeit – es lohnt sich, sich auf Entdeckungsreise in dieses Buch zu begeben und einen eigenen Eindruck zu bekommen. Wenn du nicht weißt, wo du anfangen sollst, schlag einfach mal das Lukasevangelium auf, oder im Alten Testament das Buch der Sprüche, wenn du Poesie magst die Psalmen – du wirst überrascht sein, wie ein so altes Buch so aktuell sein kann!
Buchempfehlungen zur Vertiefung:
– Peter J. Williams: glaubwürdig: Können wir den Evangelien vertrauen?
– Alexander Schick, Faszination Qumran, und andere Bücher von A. Schick.